Donnerstag, 5. März 2020

Husaberg 70° - Die letzte Husaberg


Ein kleiner Hinweis vorweg:
Die Bildrechte liegen bei den entsprechenden Fotografen. Keines der Bilder, die mit dieser Story in Verbindung stehen, stammt von mir.
Ich habe das Bildmaterial über mehrere Jahre kontinuierlich im Internet gesammelt und zum Teil ist es an seinen ursprünglich veröffentlichten Orten auch nicht mehr zu finden. Soweit es mir möglich war, habe ich Bildquellen angegeben. Aber insbesondere bei den Prototypenbildern, wo dieser durch die schwedischen Wälder getrieben wurde (tauchten u.a. in australischen Foren auf...) war dieses nicht mehr möglich.
Nun aber viel Spaß bei der Huldigung dieser schwedischen Ingenieurskunst.


Thomas Gustavsson
(PC: Husaberg)
Husaberg wurde 1988 von ehemaligen Husqvarna-Ingenieuren gegründet, die nach dem Verkauf der Marke Husqvarna an die italienische Cagiva Gruppe im Jahre 1987 nicht gewillt waren nach Italien zu gehen. Sie wollten an ihren eigenen Projekten in Schweden weiterarbeiten. Allen voran Thomas Gustavsson war hier die treibende Kraft und die Husaberg Motor AB wurde im Januar 1988 als Firmenname eingetragen.
Trotz vieler sportlicher Erfolge hatten die Husaberg Sportenduros den Ruf, in jeder Hinsicht "schnell" zu sein. Schnell auf der Strecke aber leider auch schnell kaputt.

Die vielen sportlichen Erfolge konnten die schlechten Verkaufszahlen nicht kompensieren, sodass KTM im Jahre 1995 die Marke Husaberg kaufte. Produktion und Entwicklung blieben allerdings in Schweden.
In den Jahren 2000 (Chassis) und 2001 (Motor) erhielten die Husabergs eine Runderneuerung und die Haltbarkeit verbesserte sich von Jahr zu Jahr. Insbesondere nachdem die Produktion im Jahr 2003 von Schweden nach Mattighofen zu KTM verlegt wurde, machte man qualitativ große Fortschritte.
In den Jahren danach wurde es allerdings etwas ruhiger um Husaberg. Rückzug aus der Motocross Weltmeisterschaft und nur wenig Modellpflege versetzten Husaberg in eine Art Dornröschenschlaf.

2007

Im November 2007 präsentierte Husaberg dann auf der internationalen Motorradmesse in Mailand eine völlig neue 450er Sportenduro mit einem um 70° nach vorne geneigtem Zylinder.
Die Kurbelwelle wanderte hierbei über das Getriebe, um die Massen weiter zum Motorradmittelpunkt zu bringen. Auch der Tank wurde durch seine verwinkelte Konstruktion weiter zum Motorradmittelpunkt gebracht.
Der Verkaufsstart wurde für das Modelljahr 2009 angekündigt.
Weiteres Bildmaterial von der Präsentation in Mailand (PC: Jörg Richter - EnduroX) findest du HIER.

Vorstellung auf der Mailänder Messe 2007
(PC: Jörg Richter - EnduroX)

  Hier ein Video von der Vorstellung in Mailand 2007:

Jens Elmwall und der 70° Motor
(PC: Jörg Richter - EnduroX)
Mastermind hinter dem Projekt war Jens Elmwall. Der schwedische Ingenieur entwickelte die Idee des 70° Motors.
Um die Idee in der Praxis zu testen, wurden zwei hauseigene Motoren im Jahre 2003 kurzerhand zerteilt und der Zylinder liegend wieder an das Motorgehäuse angeschweißt. Bei den ersten Testläufen leckte der etwas grobschlächtig anmutende Motor zwar eine Menge Öl doch die Tests reichten aus, um die Vorteile aus der Theorie in der Praxis zu beweisen und KTM als Geldgeber von dem Projekt zu überzeugen.

Weiteres Bildmaterial von dem Versuchsträger und dem daraus entwickelten Serienaggregat findest du HIER.

Etwas grobschlächtig, aber er funktionierte.
(PC: MX World Collection, Vimmerby)

Nachdem KTM dem Projekt zugestimmt hatte, brachten sich die Österreicher stärker ein. So wurde das Design bei Kiska in Österreich entwickelt und viele Teile des Motorrads (wie z.B. Zylinder, Zylinderkopf, Schwinge, Räder und Vorderradaufhängung) stammen aus dem KTM Baukasten.

Weiteres Bildmaterial von der Designentwicklung im Hause Kiska (PC: derestricted.com) findest du HIER.

Design by Kiska
(PC: derestricted.com)

2008

Im Januar 2008 bestritt der schwedische Husaberg Werksfahrer Joakim Ljunggren auf dem Prototypen der neuen FE 450, welcher sehr wahrscheinlich im Jahre 2007 bereits unter Ausschluss der Öffentlichkeit getestet wurde, erstmals ein öffentliches Rennen in Schweden und gewann dieses vor dem siebenfachen Weltmeister Anders Eriksson auf der ebenfalls neuen BMW G 450 X.
Im weiteren Verlauf des Jahres wurde von Ljunggren ein Vorserienmotorrad in der Enduro Weltmeisterschaft eingesetzt.
Weiteres Bildmaterial von dem Prototypen sowie dem Vorserienmotorrad findest du HIER.

FE 450 Prototyp aus Januar 2008
(PC: unknown)

Vorserienmotorrad aus der Enduro Weltmeisterschaft 2008
(PC: Husaberg)

2009

Im Jahre 2009 ging die neue Husaberg Sportenduro als FE 450 und FE 570 erstmals in Serie.
Weiteres Bildmaterial der 2009er Modelle findest du HIER.

Dokumente: 
Prospekt 2009
Parts & Wear 2009 
Bedienungsanleitung 
Reparaturanleitung
Ersatzteillisten

FE 570 2009 (PC: Husaberg)


Im Premierenjahr wurde der Spanier Oriol Mena mit der FE 450 auf Anhieb Enduro-Juniorenweltmeister. Aber auch national konnte man Erfolge feiern. So wurde Mike Hartmann auf der FE 450 Deutscher Meister in der E2 Klasse und Jochen Jasinski gewann auf der FS 570 in der S2 Klasse die Deutsche Supermoto Meisterschaft.

Oriol Mena und das Husaberg Enduroteam feiern die Weltmeisterschaft 2009 (PC: Jonty Edmunds)

Meinungen der Fachpresse:
Vorstellung MOTORRAD
Test FE 450 Cycle World 
Test FE 450 Dirt Rider Magazine
Test FE 450 Motocross Action Magazine
Vergleichstest (Masterenduro) 450cc MOTORRAD
Vergleichstest 450cc MOTORRAD
Vergleichstest 450cc Dirt Bike Magazine
Vergleichstest 450cc Dirt Rider Magazine


2010

Im Jahre 2010 wurde die Modellpalette um die FE 390, die FX 450 (Cross Country) und FS 570 (Supermoto) ergänzt.
Die FX 450 wies folgende Unterschiede zu den FE Modellen auf:
  • MX-lastigere Getriebeabstufung
  • andere Gabelbrücke
  • Closed Cartridge Gabel mit strafferem Setting
  • Federbein mit strafferem Setting
  • niedrigerer Lenker von Renthal 
  • 19 Zoll Hinterrad
  • keine Beleuchtung
Mitte 2010 wurde zudem das Sondermodell "Extreme" veröffentlicht, welches über eine auf Extremeenduros ausgelegte Ausstattung verfügte.

Im Rahmen der Modellpflege erhielten die FE Modelle folgende technische Änderungen:
  • Überarbeiteter Steuerkettenspanner
  • Pleullager mit DLC-Beschichtung
  • Neue Ölabstreif- und Kolbenringe
  • Verstärkte Getriebezahnräder der Gänge 1, 2, 5 und 6 
  • Neue schwarz eloxierte Gabelbrücke mit drei Millimetern mehr Versatz (22 statt 19 mm)
  • Überarbeitetes Fahrwerkssetting
  • Reserve-Sensor im Tank und Kontrollleuchte im Cockpit
  • Verbesserte Führung der vorderen Bremsleitung
  • Neue Toyo Bremsbeläge

FE 450 2010 (PC: Husaberg)

FX 450 2010 (PC: Husaberg)

FS 570 2010 (PC: Husaberg)

FE 450 "Extreme" 2010 (PC: Husaberg)



Werks-Husaberg von Joakim Ljunggren aus der Enduro WM 2010 (PC: Jonty Edmunds)

Weiteres Bildmaterial der 2010er Werksmaschinen findest du HIER.

Meinungen der Fachpresse:
Test FE 390 MOTORRAD
Test FX 450 Motocross Action Magazine
Test FE 450 Motorcycle USA 
Vergleichstest FS 570 MOTORRAD
Vergleichstest FE 450 MOTORRAD


2011

2011 war das Jahr der Sondereditionen. So wurde neben der "Black Edition" für FE und FS eine "Factory Edition" der FE und eine "XCC-Edition" der FX vorgestellt.
Zudem sollte es bereits das letzte Jahr für die FX und FS werden.
Im Rahmen der Modellpflege erhielten alle Modelle folgende technische Änderungen:
  • Closed Cartridge Gabel
  • Überarbeitetes Fahrwerkssetting
  • Neken Lenker statt bisher Magura (gleiche Kröpfung) 
  • Verstärkter Rahmen im Bereich des Lenkkopfs
  • Neue Ventilfederteller
  • Verbesserter Auto-Deko bei der 390er und 570er
  • Rundes Ölschauglas
Weiteres Bildmaterial der 2011er Modelle findest du HIER.

Dokumente: 
Prospekt 2011
Parts Katalog 2011
Bedienungsanleitung 
Reparaturanleitung
Ersatzteillisten 

FE 450 2011 (PC: Husaberg)

FE 450 "Factory Edition" 2011 (PC: Husaberg)

FE 570 S (Dual Sport für den amerikanischen Markt) 2011 (PC: Husaberg)

FS 570 "Black Edition" 2011 (PC: Husaberg)


Werks-Husaberg von Pierre-Alexandre Renet aus der Enduro WM 2011 (PC: Jonty Edmunds)

Weiteres Bildmaterial der 2011er Werksmaschinen findest du HIER.

Meinungen der Fachpresse:
Test/Vorstellung MOTORRAD
Test FE 390 Dirtbike Rider 
Test FE 450 Dirt Rider  
Vergleichstest 450cc MOTORRAD


2012

2012 sollte der letzte Jahrgang der 70° Modelle werden. Trotz aller sportlichen Erfolge beendete KTM das Projekt nach nur vier Modelljahren, um in 2013 Husaberg Modelle auf Basis der KTM EXC Baureihe zu präsentieren. Gerüchten (!!) zufolge soll dieses aus Kostengründen geschehen sein, da man für jede verkaufte Einheit Tantiemen an Elmwall zahlte und diese einsparen wollte.

Im Rahmen der Modellpflege erhielten die FE Modelle folgende technische Änderungen:
  • Neue obere Gabelbrücke mit geänderter Steifigkeit
Weiteres Bildmaterial der 2012er Modelle findest du HIER.

Dokumente: 
Prospekt 2012
Parts & Wear Katalog 2012
Bedienungsanleitung 
Reparaturanleitung
Ersatzteillisten 

FE 450 2012 (PC: Husaberg)


Werks-Husaberg von Pierre-Alexandre Renet aus der Enduro WM 2012 (PC: Jonty Edmunds)

Im Jahre 2012 konnten mit der FE 450 sogar zwei Enduro-WM Titel eingefahren werden. So wurde Mathias Bellino Enduro-Juniorenweltemeister und Pierre-Alexandre Renet Weltmeister in der E2 Klasse (bis 450cc).

Weiteres Bildmaterial der 2012er Werksmaschinen findest du HIER.

Mathias Bellino und das Husaberg Enduroteam feiern die Weltmeisterschaft 2012 (PC: Jonty Edmunds)

Die Krönung des 70° Projektes war sicherlich der Sieg der prestigeträchtigen E2-Weltmeisterschaft durch Pela Renet
(PC: Jonty Edmunds)


Meinungen der Fachpresse:
Test/Vorstellung FE Reihe MOTORRAD
Test FE 570 Dirt Action Vergleichstest 390cc MOTORRAD
Vergleichstest FE 450 2012 vs. FE 450 2013 Transmoto

In den Jahren 2013 und 2014 wurden noch Husaberg Modelle auf Basis der KTM EXC Baureihe produziert, doch mit der Übernahme der Marke Husqvarna durch KTM endete die Ära Husaberg mit ihrem 25. Betriebsjubiläum. Husqvarna und Husaberg verschmolzen wieder zu einer Marke und der Name Husqvarna wurde weitergeführt. Grund hierfür ist vor allem die Popularität und Geschichte der Marke Husqvarna auf dem amerikanischen Markt, sodass man sich hier einen größeren Erfolg versprach als mit dem Namen Husaberg.

Ich persönlich finde es sehr schade, dass die 70°-Baureihe nicht weitergeführt wurde. Vor allem wenn man betrachtet, welche Entwicklungsschritte KTM bei den aktuellen Motocross Modellen gemacht hat (kompakterer Zylinderkopf, leichteste Serienmotorrad).
Hätte die 70°-Baureihe an dieser Entwicklung teilhaben dürfen, wäre das Motorrad wahrscheinlich schwer zu schlagen.
Schwer zu schlagen ist die 70°-Baureihe aber dennoch in Sachen Haltbarkeit. So ist es nichts ungewöhnliches, wenn Modelle mit 500 und mehr Betriebsstunden gefahren werden, die außer den normalen Servicearbeiten keinen Anlass zu Reparaturen boten.

Da ein Fortbestand der 70°-Baureihe Wunschdenken bleiben wird und sowohl Husaberg als auch der 70°-Motor, als letzte in Schweden entwickelte Idee, nicht mehr existieren, kann man bei diesem Motorrad getrost von der letzten Husaberg sprechen.